Queers in der Ukraine

Seit dem 24. Februar 2022 versucht Russland mit einem menschenverachtenden Angriffskrieg die Ukraine zu erobern. Das Ziel der russichen Föderation geht aber weit über reine Gebietsgewinne hinaus. Die Ukraine gilt als Symbol für die Öffnung Osteuropas für den Westen, die Einführung eines modernen und fortschrittlichen Werteverständnis und letztlich die Freiheit und die Demokratie. Diese Werte versucht Russland anzugreifen. Seit beginn des Krieges kämpfen auch Queers in der Ukraine um ihre Heimat und die Grundwerte unserer modernen Welt zu verteidigen.

Unsere stellvertretende Vorsitzende Anastasia ist 2023 in die Ukraine gereist und hat sich auf die Suche nach Einhörnern gemacht. Queere Menschen, die ihr Leben in den Dienst ihres Landes stellen - für die Verteidigung des eigenen Existenzrechtes. Auf der Reise begegnete Anastasia unter anderem Kafa und Nastya. Wir möchten die diesjährige Pride-Saison nutzen um diesen Menschen eine Stimme zu geben. 

Slava ukraini!

"Wir leisten im Krieg unseren Beitrag und verstecken uns nicht!"


Nastya ist 33, lesbisch und identifiziert sich als bi-gender. Sie lebt mit ihrer Partnerin in Kyiv. Im Herbst 2014 hat sie sich entschlossen, die ukrainische Armee als Freiwillige zu unterstützen. Sie fliegt Aufklärungs- und Kamikazedrohnen. Seit März 2022 ist sie offiziell Angehörige der ukrainischen Streitkräfte. „Ich hatte keine Wahl. Mörder kamen in mein Land.“ Damit sie auch weiterhin ihren Beitrag leisten kann, haben Freunde aus Lviv ihr eine neue Drohne gespendet (Insta Link: Cantona Pub, Lviv) mit der sie heute feindlichen Stellungen aufklärt. An manchen Tagen bringt sie auch tödliche Last oder wie Nastya mit einem leichten Grinsen sagt­: „Ein happy end“.
 

Nastya ist Mitgründerin der ukrainischen Militär LGBT+ Organisation (Link). 2018 nahm sie bereits zusammen mit anderen Angehörigen der Organisation an der Kyiv Pride teil. Im Folgejahr outete sie sich öffentlich als lesbisch. Auf die Frage nach ihrer Motivation für ihr öffentliches Coming-Out sagte sie: “Warum sollten nur die schwulen Jungs im Militär die Last schultern? Es ist wichtig sichtbar zu sein und sich zu zeigen!“ Während ihrer Zeit im Militär hat sie bisher keine Diskriminierung erfahren. Homophobe Angriffe erleiden eher schwule Männer. Die Offenheit nehme aber mehr und mehr in der Gesellschaft und im Militär zu. Sie glaubt fest daran, dass der sichtbare Einsatz von queeren Menschen gerade während des Krieges, weiter Gleichberechtigung für alle queeren Menschen in der Ukraine ermöglicht. „Wir leisten unseren Beitrag und verstecken uns nicht.“

„Nicht ich selbst zu sein, ist keine Option”


Kafa ist erst seit Januar 2023 Soldatin und dient seitdem in Bakhmut. Sie ist Drohnenpiloten in der Einheit SENECA, benannt nach dem Callsign eines im letzten Jahr gefallenen Soldaten. Viele der Soldaten dieser Einheit kämpften schon während der „Revolution der Würde“ auf dem Maidan in Kyiv für eine freie Ukraine. Kafa war damals erst 13 Jahre alt.

Im Jahr 2001 wurde sie auf der Krim in Simferopol geboren. Die Krim ist ihre Heimat, auch wenn sie dort seit acht Jahren nicht mehr lebt. Ihr Vater, Wolgadeutscher, und ihre Mutter leben weiter auf der Krim unter russischer Besatzung. Kafa erinnert sich genau daran, als die „grünen Männchen“, die russischen Soldaten ohne Hoheitsabzeichen, im Jahr 2014 in ihre Heimat einmarschierten und die Krim überfielen.

Kafa ist nonbinär, Pronomen sind ‚they/she‘. Ihren Eltern sagte sie damals sie sei bisexuell. Alles andere hätten sie nicht verstanden. Ein wilder, queerer Teenager, der von vielen für verrückt gehalten wurde. Sie wollte sich nicht an irgendwelche Normvorstellungen von Geschlecht und Sexualität anpassen. Früh erkennt sie, dass sie für sich und ihre Überzeugungen kämpfen muss. Sie wird zu einer queeren Aktivistin.

Im Oktober 2022 macht Kafa den Führerschein und besucht die zivile Flugschule für Drohnenpiloten. „Wenn du keine Wahl hast, lernst Du schnell“ sagt sie. Alles ist selbstfinanziert. Dann meldet sie sich zur Armee. Ihre Fähigkeiten als Drohnenpilotin werden dringend gebraucht. Kafa erinnert sich genau an ihren ersten Einsatz an der Front direkt in Bakhmut. „Die Geräusche sind wie in einem Club. Es ist das fuckin‘ Berghain. Der Lärm, die Explosionen der Artillerie, das Maschinengewehrfeuer. Gefechtslärm härter als Techno.“ Hatte sie Angst? Sie war angespannt. „Ich muss meine Drohne präzise und sicher fliegen. Dafür bin ich hier. Nur darauf kommt es an.“

Ihre Botschaft für uns: „Hört auf Angst zu haben, was andere über Euch denken können. Bewaffnet die Ukraine und lasst bitte jeden ukrainischen Soldaten bei Euch zur Ausbildung zu. Wir werden Eure Waffen lernen zu bedienen und im Gefecht sicher anwenden. Wir kämpfen für Eure Freiheit.“

Die Story dahinter...


Sie sind noch lange nicht gleichberechtigt. Sie erleben Miysogyonie und Homophobie. Sie dienen an der Front. Sie sind bereit ihr Leben zu geben, um ihr Land zu verteidigen und ihre Freiheit zu bewahren.

Ich selbst bin queer, Soldatin und LGBTIQ+ Aktivistin. Ich wollte erfahren, wieso queere Ukrainer:innen sich dazu entschließen, für ein Land zu kämpfen, dass ihnen noch lange nicht gleiche Rechte gibt und sie aufgrund ihrer Queerness diskriminiert.  Vier Wochen war ich im Februar 2023 in der Ukraine. Ich begegente vielen queeren Soldat:innen und Aktivist:innen. Ich habe mit ihnen über Ängste, Hoffnungen und Motivation und die eigene queere Identität gesprochen. Ich bin dankbar, diesen Menschen begegnet zu sein, die mir ihr Vertrauen geschenkt haben, in der Hoffnung, dass diese auch erzählt wird. Ich kehrte zurück mit tiefer Bewunderung, Achtung und Demut für diese Menschen, die für ihre freiheitlichen und demokratischen Ideale bereit sind, dass Äußerte zu geben.